Kautabak

in

Nordhausen am Harz

....
Firmen
Sammlerobjekte
.
150 Jahre Grimm & Triepel
Deutschlands letzte Kautabak-Fabrik
feiert Jubiläum
.
.
.
Wenn sich am 27. Juni ab 11 Uhr zum Rolandsfest der Festumzug durch die Straßen Nordhausens bewegt, wird auch dieser traditionsreiche Betrieb mit dabei sein. In der Kreissparkasse ist außerdem ab 21. Juni eine Ausstellung zur Firmengeschichte der letzten Kautabak-Fabrik Deutschlands zu sehen.
"Ich bitte alle Kautabakkunden, im nächsten Jahr weniger zu konsumieren. Damit alle etwas bekommen." Diesen Text annoncierte der Fabrikant Otto Kruse Ende des Jahres 1934. Das starke Kraut fand riesigen Absatz, die Produktions-kapazität war fast ausgeschöpft.
Diese Zeiten sind freilich vorbei, Prieme sind nicht mehr "in". Dr. Bernd-Otto Kruse, Geschäftsführer der einzigen Kautabak-Fabrik Deutschlands, hofft dennoch, daß der qualm-freie Tabakkonsum durch die Antiraucherwelle eine Renaissance erlebt. Bis dahin läuft die Herstellung in Witzenhausen (Hessen) allerdings im bescheidenen Rahmen.
Der geschäftstüchtige Kaufmann Theodor Grimm hatte auf seiner Amerikareise viele "merkwürdige" Leute beobachtet, die Tabak in den Mund schoben. Er probierte das Kraut, befand es für gut und beschloß, nach seiner Rückkehr in Deutschland eine Firma aufzubauen.
In einem Haus an der Wassertreppe eröffnete er mit bescheidenen Mitteln am 14. Juni 1849 eine kleine Tabak- und Zigarrenfabrik. Das Betriebspersonal bestand anfänglich aus einem Spinner, drei Zigarrenmachern und den dazu erforderlichen Hilfskräften, insgesamt 15 Personen. Bereits fünf Jahre später reichten sowohl Produktionsräume als auch die Produktionskapazität nicht mehr aus, so daß der fleißige Geschäftsmann sein Personal aufstocken und seinen Betrieb in die Pfaffengasse Nr.1, in die sogenannte alte Post, verlegen mußte.
Auch schien es ihm ratsam, einen kapitalkräftigen Teilhaber in seine Firma aufzunehmen, den er 1858 in der Person desAdolf Triepel fand.
Nachdem Triepel 1864 verstorben war, kaufte der kaufmännische Leiter des Unternehmens, Ferdinand Feustell, den Betrieb und baute ihn bis zu seinem frühen Tod Im Jahre 1881 weiter aus.
Geschäft nebst Firma erwarb am 1. Mai des gleichen Jahres der 26jährige Kaufmann Otto Kruse. Ein Jahr nach der Übernahme arbeiteten in der Tabak- und Zigarrenfabrik bereits über 200 Personen. 15 Jahre später errichtete Kruse ein großes Fabrikgebäude in der Flickengasse für die Zigarrenherstellung. Das Unternehmen expandierte weiter, die Grundstücke Grimmelallee 2a und Flickengasse 9 kamen hinzu, später auch das Areal Grimmelallee 2b. Im Jahre 1924 beging die Firma, die inzwischen die beiden Söhne Georg und Otto übernommen hatten, ihr 75. Betriebsjubiläum. Zu dieser Zeit produzierten bereits über 1200 Personen den begehrten Priem. In den nachfolgenden Jahren entwickelte sich der Betrieb zu Europas größter Kautabak-Fabrik.
Mitte der 30er Jahre sponnen zwischen 1600 und 1800 Arbeiter das stark aromatische Kraut. Der Zweite Weltkrieg und dessen Folgen setzten den Kruses gewaltig zu. Am 3. und 4. April 1945 wurde das Werk durch Luftangriffe stark beschädigt und durch die Teilung Deutschlands von den sowjetischen Besatzern enteignet.
Die Eigentümer flüchteten ins benachbarte Witzenhausen. Dort gab es noch eine Filiale des Unternehmens. Kurze Zeit später forcierte Otto Kruse wieder die Herstellung von Kautabak. Zu dieser Zeit war die qualmende Zigarette längst auf dem Vormarsch, der Kautabak-Umsatz sank rapide. In Witzenhausen fand man ein anderer Hauptstandbein: Die Produktion von Kunststoffverpackungen.
Traditionsbewußt hält aber der jetzige Geschäftsführer Dr. Bernd-Otto Kruse an der Kautabakherstellung fest: Drei Halbtagskräfte spinnen heute noch die Prite in Handarbeit. Im Festumzug wird ein blauer amerikanischer Oltimer-Truck aus dem Jahre 1955 zu sehen sein, auf dessen Ladefläche die Kautabakherstellung von Hand gezeigt wird. 12 blau/gelb (die Grundfarben von Grimm & Triepel) geschmückte Pferde komplettieren die eindrucksvolle Szenerie.
Rainer Hellberg
.
.
.
.
.
zurück
.